Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) ist im Gesetz nicht geregelt, aber in Rechtsprechung und Literatur seit langem anerkannt. Er beruht auf dem Gedanken, dass der Schutz des Deliktsrechts für den Dritten nicht immer ausreicht1 und ist keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern setzt ein Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraus, in das der Dritte dann einbezogen wird.

Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter steht dem Dritten zwar die Hauptleistung nicht zu, aber er ist in die Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen. Wenn der Schuldner diese Pflichten verletzt, kann der Dritte eigene vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen.2       

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zum VSD mit Klausurproblemen.

Zunächst ein Kurzschema zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter für den ersten Überblick:

I. Herleitung

II. Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner

III. Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

1. Leistungsnähe des Dritten

2. Gläubigerinteresse an der Einbeziehung

3. Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Gläubigerinteresse für den Schuldner

4. Schutzbedürftigkeit des Dritten

IV. Rechtsfolgen

Sodann ein ausführliches Schema zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter mit Erläuterungen und Klausurproblemen:

I. Herleitung

Die Rechtsgrundlage des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist umstritten.

  • Der BGH stellt auf eine ergänzende Vertragsauslegung ab3 und knüpft an den hypothetischen Willen der Parteien an, der gemäß § 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu erforschen ist.
  • Die Literatur legt teilweise § 241 Abs. 2 BGB und § 311 Abs. 2 BGB zugrunde4 oder nimmt eine auf § 242 gestützte Rechtsfortbildung an.5

In der Klausur solltest Du die unterschiedlichen Begründungssätze nur kurz anreißen. Das Ergebnis kann offenbleiben, denn der VSD ist ein anerkanntes Rechtsinstitut.

II. Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner

Da der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter keine eigenständige Anspruchsgrundlage ist, muss immer ein Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen.

Ob es sich um ein vertragliches oder ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, ist unerheblich. Auch ein vorvertragliches Schuldverhältnis ist ausreichend.6. Häufige Klausurfälle sind der Kaufvertrag oder der Mietvertrag.

III. Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Damit das Haftungsrisiko des Schuldners nicht ausufert, unterliegt ein Anspruch nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter engen Voraussetzungen. Diese müssen kumulativ erfüllt sein.

1. Leistungsnähe des Dritten

Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Pflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger.7 Ein bloß zufälliger Kontakt mit der Leistung genügt nicht.8

2. Gläubigerinteresse an der Einbeziehung

Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages haben9

Früher stellte die Rechtsprechung darauf ab, ob der Gläubiger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten mitverantwortlich ist, also ob den Gläubiger eine Fürsorge- und Obhutspflicht gegenüber dem Dritten trifft.10 Es kam darauf an, ob zwischen Gläubiger und Drittem eine Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag, d.h. ein familienrechtliches, arbeitsrechtliches oder mietvertragliches Verhältnis, besteht.11 Das wurde insbesondere in folgenden Konstellationen bejaht:

  • Erfüllungsgehilfen des Gläubigers (§ 278 BGB)12
  • Sonstige Arbeitnehmer
  • Eltern-Kind-Verhältnis aufgrund der familienrechtlichen Schutzpflicht (§§ 1626, 1629 BGB)

Die neuere Rechtsprechung verlangt nur noch ein besonderes Näheverhältnis zwischen Gläubiger und Drittem. Dafür reicht es aus, dass der Gläubiger an der Einbeziehung des Dritten ein besonderes Interesse hat und der Vertrag dahin ausgelegt werden kann, dass die Parteien den Dritten in den vertraglichen Schutz einbeziehen.13

3. Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Gläubigerinteresse für den Schuldner

Für den Schuldner muss die Leistungsnähe des Dritten und dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages erkennbar und zumutbar sein.14 Diese Voraussetzung beruht auf dem Gedanken, dass das Haftungsrisiko des Schuldners bei Vertragsabschluss kalkulierbar sein soll.15

Namen und Anzahl der zu schützenden Personen müssen dem Schuldner allerdings nicht bekannt sein; es reicht aus, dass die Schutzpflicht auf eine überschaubare, klar abgrenzbare Personengruppe beschränkt wird.16        

4. Schutzbedürftigkeit des Dritten

Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen, weil der Dritte anderenfalls nicht ausreichend geschützt sein.17

Die Schutzbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche – gleich gegen wen – zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben18  

IV. Rechtsfolgen

Wenn die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter vorliegen, erwirbt der Dritte unmittelbar einen eigenen Schadensersatzanspruch.19

  • Ersatzfähig sind sowohl Personenschäden als auch Sach- und Vermögensschäden.20
  • Analog § 334 BGB stehen dem Schuldner die Einwendungen aus dem Hauptvertrag grundsätzlich auch dem Dritten gegenüber zu.21
  • Der Dritte muss sich eigenes Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen.22 Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Anspruch des Dritten auch bei Mitverschulden des Gläubigers entsprechend zu kürzen. Das gilt auch dann, wenn der Gläubiger nicht gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Dritten ist.23
  • Die Verjährung der Ansprüche richtet sich nach den Verjährungsregeln für das Hauptschuldverhältnis24

Klausurhinweis:

Verwechsle den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht mit der Drittschadensliquidation.

Die Ausgangslage ist ähnlich: Es geht darum, dass ein Dritter, der bis jetzt nicht am Schuldverhältnis beteiligt war, einen Schaden erleidet. Der Unterschied ist aber:

Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird der Anspruch zum Schaden gezogen, also der Kreis der Ersatzberechtigten erweitert.

Bei der Drittschadensliquidation wird hingegen der Schaden zum Anspruch gezogen, der geschädigte Dritte bleibt außerhalb des Vertragsverhältnisses. Mehr dazu im Prüfungsschema zur Drittschadensliquidation.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 328 BGB Rn. 166.
  2. vgl. BGH, Urteil vom 19.9.1973, Az. VIII ZR 175/72.
  3. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 17.11.2016, Az. III ZR 139/14.
  4. vgl. Schellhammer SchuldR, 9. Auflage 2014, Rn. 1473.
  5. vgl. u.a. Jauernig, BGB, 18. Auflage 2021, § 328 BGB Rn. 21.
  6. vgl. den „Gemüseblattfall“: BGH, Urteil vom 28.1.1976, Az. VIII ZR 246/74.
  7. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24.10.2013, Az. III ZR 82/11.
  8. BGH, Urteil vom 25.4.1956, Az. VI ZR 34/55.
  9. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 2.7.1996, Az. X ZR 104/94.
  10. BGH, Urteil vom 22.5.2001, Az. X ZR 231/99.
  11. BGH, Urteil vom 28.4.1952, Az. III ZR 118/51.
  12. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 328 BGB Rn. 185.
  13. vgl. BGH, Urteil vom 22.5.2001, Az. X ZR 231/99.
  14. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 17.11.2016, Az. III ZR 139/14.
  15. BGH, Urteil vom 20.4.2004, Az. X ZR 250/02.
  16. BGH, Urteil vom 26.11.1986, Az. IVa ZR 86/85.
  17. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 24.10.2013, Az. III ZR 82/11.
  18. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 12.1.2011, Az. VIII ZR 346/09.
  19. BGH, Urteil vom 14.6.2012, Az. IX ZR 145/11.
  20. BGH, Urteil vom 28.6.1994, Az. VI ZR 153/93.
  21. BGH, Urteil vom 10.11.1994, Az. III ZR 50/94.
  22. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 328 BGB Rn. 201.
  23. BGH, Urteil vom 10.11.1994, Az. III ZR 50/94.
  24. BGH, Urteil vom 08.6.2004, Az. X ZR 283/02.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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