Den Versuch regeln die §§ 22, 23 StGB, wobei § 22 StGB die Begriffsbestimmung vornimmt und § 23 StGB auf die Strafbarkeit des Versuchs eingeht. § 24 StGB regelt den Rücktritt vom Versuch.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung des Versuchs. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zum Versuch.

Zunächst ein Kurzschema zum Versuch ohne Definitionen und Probleme:

A. Vorprüfung

I. Strafbarkeit des Versuchs

II. Nichtvollendung der Tat

B. Tatbestandsmäßigkeit

I. Tatentschluss

II. Unmittelbares Ansetzen

C. Rechtswidrigkeit

D. Schuld

E. (ggf.) Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB

Sodann ein ausführliches Schema zur Versuchsprüfung mit Definitionen und Klausurproblemen:

A. Vorprüfung

I. Strafbarkeit des Versuchs

Der Versuch eines Verbrechens (vgl. § 12 StGB) ist stets strafbar, der eines Vergehens nur, wenn das Gesetz dies ausdrücklich anordnet, § 23 Abs. 1 StGB.

Klausurproblem: Erfolgsqualifizierter Versuch

Beim sog. erfolgsqualifizierten Versuch ist das Grunddelikt nur versucht, die Folge der Erfolgsqualifikation jedoch eingetreten.

  • Nach h.M. ist der erfolgsqualifizierte Versuch nur strafbar, wenn beim jeweiligen Delikt der qualifizierende Erfolg an die Gefährlichkeit der Tathandlung (und nicht des Taterfolgs) anknüpft.1

Abzugrenzen von: Versuch der Erfolgsqualifikation

Beim sog. Versuch der Erfolgsqualifikation ist das Grunddelikt vollendet2 oder versucht3, während die qualifizierende Folge zwar in den Vorsatz des Täters aufgenommen ist, ihr Eintritt aber ausbleibt.

  • Die Strafbarkeit des Versuchs der Erfolgsqualifikation ist (sofern der Versuch der Grunddelikts überhaupt strafbar ist) allgemein anerkannt.4

II. Nichtvollendung der Tat

Hier muss Du feststellen, dass und warum der objektive Tatbestand nicht vollständig erfüllt und somit die Tat nicht vollendet ist.

B. Tatbestandsmäßigkeit

I. Tatentschluss

Der Tatentschluss umfasst den Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale einschließlich Kausalität und objektiver Zurechnung sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale (z. B. die Zueignungsabsicht bei § 242 StGB).

Der Tatentschluss muss endgültig sein, Tatgeneigtheit genügt nicht. Unschädlich ist, wenn der Täter die Tat an eine Bedingung knüpft, einen Fehlschlag einkalkuliert oder sich den Rücktritt vorbehält.5

II. Unmittelbares Ansetzen

Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter aus seiner Sicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten hat, sodass seine Handlung ohne wesentliche Zwischenschritte in den Taterfolg mündet, also das Rechtsgut bereits konkret gefährdet erscheint (gemischt subjektiv-objektive Theorie).6

Zu einer Qualifikationen hat der Täter nur unmittelbar angesetzt, wenn er sowohl zum Grunddelikt als auch zur Qualifikation angesetzt hat.7

Klausurproblem: Unmittelbares Ansetzen bei Regelbeispielen

  • Nach der Rechtsprechung genügt bei Regelbeispielen wegen der Tatbestandsähnlichkeit ein Ansetzen zum Regelbeispiel, ohne dass ein Ansetzen zum Tatbestand erforderlich wäre. Die Literatur verlangt mit verweis auf den Wortlaut des § 22 StGB („zur Verwirklichung des Tatbestandes“) auch hier ein Ansetzen zum Tatbestand.8

Klausurproblem: Unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft

  • Nach der herrschenden Rechtsgutsgefährdungstheorie9 setzt der mittelbare Täter unmittelbar zur Tat an, wenn er das von ihm in Gang gesetzte Geschehen in der Weise aus der Hand gegeben hat, dass der daraus resultierende Angriff auf das Opfer nach seiner Vorstellung von der Tat ohne weitere wesentliche Zwischenschritte und ohne längere Unterbrechung im nachfolgenden Geschehensablauf unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll.
  • Nach der in der Literatur vertretenen Gesamtlösung10 muss der Tatmittler die Schwelle des § 22 StGB überschreiten. Dagegen spricht, dass nicht der Tatmittler, sondern der mittelbare Täter die Tatherrschaft innehat.
  • Nach der ebenfalls in der Literatur vertretenen Einzellösung 11 stellt schon der Beginn bzw. Abschluss der Einwirkung auf den Tatmittler das unmittelbare Ansetzen dar. Dadurch wird der Versuchsbeginn sehr weit nach vorne verlagert, obwohl eine Opfergefährdung ggf. noch gar nicht vorliegt.

Klausurproblem: Umittelbares Ansetzen bei Mittäterschaft

  • Nach der herrschenden Gesamtlösung12 beginnt der Versuch für jeden der Mittäter, sobald nur einer von ihnen zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. Argument: Zurechnungsregel des § 25 Abs. 2 StGB.
  • Nach einer Minderansicht, der sog. Einzellösung13, setzt jeder Mittäter getrennt zur Tatbestandsverwirklichung an. Argument: Wortlaut des § 22 StGB („nach seiner Vorstellung“).

Klausurproblem: Unmittelbares Ansetzen beim unechten Unterlassungsdelikt

  • Nach h.M. setzt der Täter beim unechten Unterlassungsdelikt unmittelbar an, wenn aus seiner Sicht das Rechtsgut bereits in unmittelbare Gefahr gebracht worden ist.14 Argument: Das Unmittelbarkeitserfordernis in § 22 StGB.
  • Andere stellen entweder auf das Verstreichenlassen der ersten15 oder der letzten16 Rettungsmöglichkeit ab. Gegenargumente: Im ersten Fall ist der Versuchsbeginn zu weit vorgelagert, im zweiten Fall wäre ein Rücktritt nicht mehr denkbar.

C. Rechtswidrigkeit

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

D. Schuld

Allgemeine Entschuldigungsgründe

E. (ggf.) Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB

Das Schema zum Rücktritt vom Versuch findest Du hier.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zum Versuch hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. RG, Urt. v. 7.11.1957, Az.: 4 StR 308/57; BGH, Urt. v. 14.05.1996, Az.: 1 StR 51/96.
  2. BGH, Urt. v. 29.03.2001, Az.: 3 StR 46/01.
  3. Kudlich, JA 2009, 249.
  4. vgl. etwa BGH, Beschluß vom 29. 3. 2001, Az.: 3 StR 46/01.
  5. BGH, Urt. v. 02.02.1966, Az.: 2 StR 525/65.
  6. BGH, Urt. v. 16.09.1975, Az.: 1 StR 264/75; BGH, Urt. v. 26.10.1978, Az.: 4 StR 429/78.
  7. BGH, Urt. v. 07.08.2014, Az.: 3 StR 105/14.
  8. Wessels/Beulke/Satzger AT, 50. Aufl. 2020,  Rn. 985 m. w. N.
  9. BGH, Urt. v. 26.01.1982, Az.: 4 StR 631/81; Satzger Jura 2006, 513, 515.
  10. Küper JZ 1983, 361, 369.
  11. Puppe AT, 4. Aufl. 2019, § 20 Rn. 28 ff.
  12. BGH, Urt. v. 06.09.1989, Az.: 3 StR 268/89.
  13. Roxin AT II § 29 Rn. 297.
  14. BGH, Urt. v. 13.09.1994, Az.: 1 StR 357/94.
  15. Schröder JuS 62, 86.
  16. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, 1959, S. 210.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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