Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie Einstiegsfragen zum Referendariat.

Bist Du unsicher, wo Du Deinen juristischen Vorbereitungsdienst absolvieren solltest?

Ich helfe Dir. Die Wahl des richtigen Bundeslandes für das Referendariat ist eine wichtige Entscheidung, bei der es viel zu beachten gibt.

In diesem Artikel zeige ich Dir, welche Unterschiede zwischen den verschiedenen Bundesländern Du bei Deiner Entscheidung berücksichtigen solltest und welche Fallstricke zu beachten sind.

1. Kombination von Zulassungskriterien und Examensstatistik

Die wichtigste Frage ist wohl, in welchem Bundesland Du das beste Examen machen wirst. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Berücksichtigen solltest Du aber auf jeden Fall die Examensstatistiken der Bundesländer.

Auf keinen Fall darfst Du aber den Fehler machen, nur zu schauen, in welchem Bundesland die besten zweiten Staatsexamina geschrieben werden und dann zu denken, dort sei es am einfachsten, ein gutes Examen zu schreiben!

Entscheidend ist nämlich auch, wie leistungsstark die Referendare in diesem Bundesland durchschnittlich sind. Dafür können Dir die Zulassungsvoraussetzungen der Bundesländer einen Anhaltspunkt geben.

Nehmen wir als Beispiel Hamburg:

Sagenhafte 45% Prozent der Kandidaten haben 2015 hier ein Prädikatsexamen erzielt. Allerdings ist es schwierig, in Hamburg überhaupt ins Referendariat zu kommen und die Auswahl erfolgt besonders leistungsorientiert.

2013, als diese Kandidaten das Rechtsreferendariat begonnen haben, brauchte man ohne Bonuspunkte ca. 12 Punkte im ersten Staatsexamen, um ein verbindliches Angebot zu erhalten und ca. 10 Punkte im ersten Staatsexamen, um einen Platz im Nachrückverfahren zu erhalten.

Zwar bekommen viele Kandidaten Bonuspunkte, etwa einen Punkt, wenn sie ihr erstes Staatsexamen in Hamburg absolviert haben und einen Punkt für jedes halbe Jahr Wartezeit.

Dennoch hat ein extrem hoher Anteil der Referendare in Hamburg ein Prädikat im ersten Staatsexamen – möglicherweise deutlich mehr als die 45%, die dies auch im zweiten Staatsexamen schaffen.

Bei genauem Hinsehen ist Hamburg in Bezug auf die Examensstatistik also gar nicht besonders attraktiv.

Die jeweils aktuellsten verfügbaren Examensstatistiken für alle Bundesländer veröffentlicht das Bundesamt für Justiz. In den PDF-Dokumenten musst Du etwas herunterscrollen, um zum zweiten Staatsexamen zu kommen.

Diese Dokumente sind sehr detailliert, allerdings etwas unübersichtlich. Deshalb habe ich die aktuellst verfügbare Prädikatsquote und die Durchfallquote von jedem Bundesland in meinen Bundesländerübersichten für Dich zusammengefasst. Einfach auf das jeweilige Bundesland klicken und in der Tabelle nach der jeweiligen Quote schauen.

2. Zulassungskriterien und Einstellungstermine zum Rechtsreferendariat

Die Zulassungskriterien sind natürlich auch isoliert wichtig für Dich. Sie entscheiden darüber ob bzw. mit wie viel Wartezeit Du in einem Bundesland zum Referendariat zugelassen wirst.

In diesem Kontext solltest Du dir auch die Einstellungstermine ansehen, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Hierzu findest Du Informationen beim jeweiligen Oberlandesgericht.

Oft sind die Informationen dort allerdings nicht übersichtlich zusammengestellt, sondern in irgendwelchen Verordnungen versteckt. Am einfachsten holst Du Dir die Infos deshalb wieder von meinen Bundesländerübersichten, wo sie übersichtlich dargestellt sind.

3. Flächenstaat oder Stadtstaat?

In den Flächenstaaten hast Du unter Umständen weite Wege zu Deinen Stationsausbildern oder AGs. In Stadtstaaten ist in der Regel alles dichter beieinander und Deine Wege sind kürzer. Das kann Dir einen Zeitvorteil verschaffen.

4. Struktur des zweiten Staatsexamens

Du solltest auch schauen, inwieweit die Struktur des zweiten Staatsexamens Deinen Stärken und Schwächen entspricht.

In manchen Bundesländern zählt die mündliche Prüfung mehr als in anderen. So zählt die mündliche Prüfung in Bayern 25% zum zweiten Staatsexamen, in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein 30%, in Sachsen 33%, in Thüringen 35% und in allen anderen Bundesländern 40%.

Innerhalb der mündlichen Prüfung unterscheidet sich wiederum der Anteil des Aktenvortrags.

Wenn Du also z.B. besondere Angst vor mündlichen Prüfungen hast und dort zu Blackouts neigst, solltest Du vielleicht nicht unbedingt ein Bundesland wählen, in dem die mündliche Prüfung besonders viel zählt.

Wenn Dir der Aktenvortrag schon im ersten Staatsexamen besonders schwergefallen ist, spricht das gegen ein Bundesland, wo der Aktenvortrag im zweiten Staatsexamen besonders viel zählt.

Ansonsten ist die mündliche Prüfung oft eine Chance, die Klausurnote noch einmal zu verbessern. Für die meisten Examenskandidaten ist es eher gut, wenn die mündliche Prüfung einen hohen Prozentsatz der Gesamtexamensnote ausmacht.

Eine gute Übersicht über die Struktur des zweiten Staatsexamens in den verschiedenen Bundesländern findest Du auch in den Examensstatistiken des Bundesamts für Justiz oder, Du ahnst es, in meinen Bundesländerübersichten.

5. Pflicht-AGs und Wahl-AGs während des Referendariats

Wie viele verpflichtende Veranstaltungen Du während des Referendariats hast, unterscheidet sich teilweise zwischen den Bundesländern auch stark. So hast Du in Berlin beispielweise mehr oder weniger durchgehend regelmäßige verpflichtende Arbeitsgemeinschaften und schreibst verpflichtende Übungsklausuren.

In Hamburg hingegen hast Du lediglich Block-AGs in den ersten zwei Wochen einiger Stationen und kannst bzw. musst Dir Deine restliche Lernzeit selbst gestalten. Klausurenkurse gibt es auch, diese sind aber freiwillig. Außerdem gibt es noch einige weitere spezielle freiwillige Kurse, etwa zum Zwangsvollstreckungsrecht.

Beide Systeme haben Vor- und Nachteile:

Die Vorteile umfangreicher Pflichtveranstaltungen

  • Pflichtveranstaltungen zwingen einen von Anfang an zumindest in einem gewissen Umfang zur regelmäßigen Beschäftigung mit dem Examensstoff.
  • Sie bieten auch eine soziale Eingliederung in eine Lerngemeinschaft und motivieren so auch zum weitergehenden selbstständigen Lernen (dazu ausführlicher in meinem Artikel „Motiviert Jura lernen – So macht Jura süchtig wie World of Warcraft“).
  • Außerdem sind diese Kurse, anders als private Repetitorien, kostenlos.
  • Pflicht-AGs machen es Dir auch leichter, mehr Lernzeit von Deinen Stationsausbildern zugestanden zu bekommen. Zeit für die Pflicht-AGs müssen die Ausbilder Dir ohnehin geben. Zusätzlich kannst Du argumentieren, dass Du die Pflicht-AGs vor- oder nachbereiten musst.„Ich brauche mehr Zeit für meine eigene freiwillige Examensvorbereitung“ ist eine wesentlich schwächere Verhandlungsbasis.

Der eine (große) Nachteil von Pflichtveranstaltungen

Auf der anderen Seite ist die Qualität der Pflichtveranstaltungen sehr unterschiedlich. Es gibt richtig gute AG-Leiter und einige Referendare sind von ihren Pflicht-AGs begeistert. Andere berichten aber auch, dass ihre AGs reine Zeitverschwendung sind und ihnen Zeit zur eigenen Examensvorbereitung stehlen.

Welches System unter Einpreisung des Risikofaktors „AG-Leiter“ für Dich besser ist, hängt letztlich davon ab, wie gut Du Dich selbstständig zum Lernen motivieren kannst und wie viel Geld Du für private Repetitorien ausgeben kannst oder willst.

Informationen zu den AGs bzw. der Ausbildung findest Du – abgesehen von den Bundesländerübersichten – in der Regel auf den Websites der die jeweiligen Bundesländer oder Oberlandesgerichte zum Rechtsreferendariat.

6. Stationsreihenfolge

Du solltest außerdem schauen, inwieweit Du die Möglichkeit hast, Dir vor den Klausuren eine möglichst lange arbeitsarme Zeit zu legen.

In der Regel eignet sich hierzu die Anwaltsstation. Meiner Erfahrung nach „tauchen“ fast alle Referendare vor dem Examen mehrere Monate in ihrer Anwaltsstation. In einigen (wenigen!) Behörden muss man effektiv auch so gut wie gar nicht arbeiten. Wenn man so eine Station möglichst spät absolviert, kann man die Lernzeit im Jahr vor dem Examen noch weiter erhöhen.

In Hamburg gibt es nun gar die Möglichkeit, seine Anwaltsstation zu splitten. So habe ich schon von Referendaren gehört, die die Anwaltsstation so gesplittet haben, dass sie zuerst 5 Monate gearbeitet haben, anschließend ihre Verwaltungsstation bei einer Behörde absolviert haben, in der sie fast nicht arbeiten mussten, danach ihre sogenannte „Wahlstation I“ ebenfalls bei einer solchen Behörde absolviert haben, und danach den Rest ihrer Anwaltsstation gelegt haben, den sie getaucht sind.

Dadurch waren 10 Monate fast ausschließlicher Examensvorbereitung möglich. Das ist sicher eine Ausnahme und das extremste Beispiel, von dem ich bisher gehört habe. Es zeigt aber, wie viel Gestaltungspotential hier liegen kann.

Da Tauchen von den Behörden nicht gestattet wird, kann ich Dir dazu natürlich auch nicht raten. Du solltest aber wissen, dass es fast jeder macht.

Ich habe zu dem Thema einen eigenen Artikel geschrieben. Dort erkläre ich die wichtigsten Fakten zum Tauchen im Referendariat und welche Tauchzeiten üblich sind.

7. Regelungen zu Auslandsstationen

In den Bundesländern unterschiedlich geregelt ist auch, wann und wie oft Du im Referendariat Auslandsstationen machen kannst. Wenn Du überlegst, eine Station im Ausland zu machen, schau Dir meinen Artikel mit Argumenten für und gegen eine Auslandsstation an.

8. Gehalt und Nebenverdienstregelungen

Wenn Du nicht von Deinen Eltern gesponsert wirst, werden Referendarsgehalt und Nebenverdienstregelungen für Dich relevant sein.

Das Referendarsgehalt, dessen offizielle Bezeichnung aus guten Gründen „Unterhaltsbeihilfe“ ist, wird alleine meist nicht zum Leben reichen. Allerdings bekommst Du z.B. in der Anwaltsstation von vielen Kanzleien ein Gehalt und kannst in anderen Stationen grundsätzlich einem Nebenjob nachgehen, beispielsweise als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei.

Aber Vorsicht: Wenn Dein Nebenverdienst zu hoch ist, kürzt das Land Deine Unterhaltsbeihilfe.

Die konkreten Grenzen und Anrechnungsregelungen sind auch hier je nach Bundesland verschieden. Leider wäre es kaum möglich, eine Übersicht über die Anrechnungsregelungen aller Bundesländer zuverlässig aktuell zu halten. Die Regelungen sind zu verworren und ändern sich zu oft. Deshalb gibt es auch keine solche Übersicht (spar Dir also die Zeit einer intensiven Google-Suche).

So hängt die Anrechnungsgrenze in Berlin etwa davon ab, ob Du in Nebentätigkeit oder in einer Station tätig bist. Die Anrechnungsgrenze beim Stationsentgelt ist wiederum unter anderem abhängig von dem Gehalt, dass einem Beamten mit gleichem Familienstand im Eingangsamt der entsprechenden Laufbahn in der ersten Stufe zusteht (§ 12 Abs. 2 S. 4 JAG Berlin i.V.m. § 65 Abs. 2 BBesG BE).

Am besten filterst Du anhand der anderen Kriterien schon für Dich relevante Bundesländer heraus und erkundigst Dich dann speziell für diese Bundesländer bei den jeweils zuständigen Oberlandesgerichten oder dem jeweiligen Personalrat der Referendare. Manchmal findest Du auf deren Websites auch schon Informationen.

Die Unterhaltsbeihilfe selbst findest Du für jedes Bundesland in den Bundesländerübersichten.

9. Lebenskosten vor Ort

Wenn Du Dir die Höhe der Unterhaltsbeihilfe anschaust, solltest Du natürlich auch die Lebenskosten vor Ort berücksichtigen. Es macht für den Geldbeutel einen erheblichen Unterschied, ob Du beispielsweise in Brandenburg oder in Hamburg lebst.

Vergiss aber nicht, dabei zu berücksichtigen, dass Du vielleicht nicht alle Deine Stationen in Deinem Ausbildungsland verbringst. Vielleicht machst Du Anwalts- oder Wahlstation in einem anderen Bundesland oder gar im Ausland?

10. Wo möchtest Du später arbeiten?

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist, in welchem Bundesland Du Dir später vorstellen kannst, zu arbeiten. Du knüpfst im Referendariat viele Kontakte und lernst potentielle Arbeitgeber kennen. Es wäre natürlich schade, wenn Du z.B. während des Referendariats in Hessen Deinen Traumarbeitgeber findest, aber nach dem Referendariat auf jeden Fall nach Berlin gehen möchtest.

Allerdings wird dieses Thema dadurch etwas entschärft, dass Du ja auch Stationen außerhalb Deines Bundeslandes absolvieren kannst.

Deine nächsten Schritte

Du merkst, bei der Auswahl des richtigen Bundeslandes für das juristische Referendariat gibt es ganz schön viel zu beachten. Ich hoffe, diese Übersicht hilft Dir bei Deiner Entscheidung.

Gerne würde ich Dich auch durch Deine weitere Referendariatsplanung, Dein Ref und Dein zweites Staatsexamen begleiten. Ich habe dazu einen kostenlosen E-Mail Kurs mit Tipps und Tricks für Referendariat und Examensvorbereitung entwickelt. Melde Dich jetzt kostenlos an.

Außerdem ist für Dich bestimmt der Rest meiner Serie mit Einstiegsfragen zum Referendariat hilfreich.

Viel Spaß beim Lesen!

Lucas

Dieser Beitrag ist Teil der Artikelserie Einstiegsfragen zum Referendariat.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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