Weißt Du, was ich gemacht habe, als ich in einer Kanzlei meine erste Rechtsfrage recherchieren sollte? Ich war so ahnungslos, ich wusste überhaupt nicht, wo ich anfangen soll.

Also habe ich – ich schäme mich fast es zuzugeben – Beck Online angeschmissen und eine Stichwortsuche gestartet.

Autsch.

Zum Glück kam nach kurzer Zeit ein Anwalt vorbei und hat mir den Tipp gegeben, doch erst einmal in den Kommentaren zu schauen.

Das ist lange her. Seitdem habe ich unzählige Rechtsfragen recherchiert und ein ausgefeiltes Konzept entwickelt. Außerdem habe ich als Anwalt die Recherchen von vielen Referendaren und wissenschaftlichen Mitarbeitern begleitet.

Dabei habe ich verschiedene Vorgehensweisen und Techniken beobachtet und konnte nach und nach die Methoden, die ich besonders geschickt fand, herausfiltern und sammeln – habe umgekehrt aber auch Gewohnheiten beobachten können, die weniger zielführend sind und man vielleicht besser durch andere Techniken ersetzen würde.

Eine sehr gute Recherche ist schwieriger als die meisten denken. Wer hier ein gutes Ergebnis liefert, kann sich leicht abheben und auszeichnen.

Wahrscheinlich wusstest Du schon, dass die Kommentarliteratur meist die erste Anlaufstelle für eine Recherche ist. Vielleicht auch nicht, das macht auch nichts. Egal ob du ein totaler Anfänger oder schon fast ein Profi in Sachen Recherchen bist: In diesem Artikel werde ich Dir helfen, Deine Recherchen (noch) weiter zu verbessern.

A. Vorgespräch zur Rechercheaufgabe

Idealerweise sollte Dein Ausbilder Dir im Vorgespräch alle relevanten Informationen geben. Oft wird er im Eifer des Gefechts aber etwas vergessen. Umso mehr kannst Du punkten, wenn Du selbst pro-aktiv nachfragst, ehe Missverständnisse entstehen können. Achte deshalb darauf, dass folgende Fragen am Ende des Vorgesprächs geklärt sind:

  • In welcher Form sollst Du das Ergebnis präsentieren? z.B. als internen Vermerk oder als E-Mail Entwurf für Mandanten?
  • In welcher Sprache sollst Du das Ergebnis abfassen?
  • Bis wann wird das Ergebnis benötigt?
  • Welchen inhaltlichen Umfang soll die Ergebnispräsentation haben?

Zum inhaltlichen Umfang ein kleiner Geheimtipp: Gebe Dich nicht mit einer Eingrenzung der Länge zufrieden. Eine Aussage wie „höchstens eine Seite“ hilft Dir nur begrenzt weiter. Die Bestimmung einer bestimmte Länge des Vermerks oder der E-Mail ist Deinem Ausbilder im Voraus auch nur in Maßen sinnvoll möglich. Eine richtig gute Vorgabe kann man eigentlich nur machen, wenn man die Rechtslage schon kennt und nur noch Fundstellen benötigt.

Bitte deshalb lieber um eine inhaltlich Eingrenzung des Ergebnisumfangs. Man könnte beispielsweise fragen:

„Soll ich nur die Rechtsprechung und die herrschende Lehre darstellen oder auch Mindermeinungen in der Literatur? Soll ich auch die Begründung oder Herleitung von Ansichten darstellen oder nur die Ansichten selbst?“

Am Ende solltest Du die Fragestellung noch einmal in eigenen Worten zusammenfassen, um sicherzugehen, dass Ihr Euch richtig verstanden habt.

B. Vorgehen bei der juristischen Recherche selbst

Bei der Durchführung der rechtlichen Recherche selbst können Dir folgende Richtlinien helfen. Bitte beachte, dass es sich dabei nur um Grundsätze handelt. Je nach Recherche kann es sich im Einzelfall auch anbieten, davon abzuweichen.

I. Der Einstieg

Du hast es an meinem Beispiel zu Anfang schon gesehen: Zum Start bietet es sich in der Regel an, in die Kommentarliteratur zuschauen. Dort findet man Rechtsprechung und Literatur übersichtlich zusammengefasst.

Im Bereich des BGB empfehle ich, den Grundsatz „Der erste Blick geht immer in den Palandt“ zu beherzigen und erst im Anschluss in die anderen Kommentare zu schauen. Im Palandt findet man in der Regel, wenn auch knapp, eine Darstellung der „realen“ Situation.

Andere Kommentare vermitteln leider oft eine verzerrte Darstellung, weil sie ihre eigene Meinung in den Vordergrund rücken. Durch die Lektüre dieser Kommentare wird nicht immer deutlich, was herrschende Meinung und was Mindermeinung ist. Außerdem listet der Palandt relativ zuverlässig die relevante Rechtsprechung auf.

II. Tiefergehende Recherche

Wenn Du die Kommentarliteratur ausgewertet hast, solltest Du eine Stichwortsuche bei Beck Online und bei Juris durchführen (sofern der Ausbilder den Rechercheumfang nicht auf die Kommentarliteratur beschränkt hat). Notiere Dir dabei unbedingt, nach welchen Stichworten Du gesucht hast!

Beck Online bietet auch die Funktion, Rechtsprechung und Aufsätze zu einzelnen Normen anzeigen zu lassen. Auch diese Ergebnisse solltest Du Dir anschauen. Sofern es zu viele zur Durchsicht innerhalb des gegebenen Zeitrahmens sind, solltest Du das gegenüber Deinem Ausbilder ansprechen.

Falls Du für ein Urteil die Quellenangabe hast, es aber in einer Datenbank nicht findest, solltest Du zunächst eine andere Datenbank versuchen. Je nach Größe der Kanzlei kannst Du als nächstes den Katalog der Kanzleibibliothek durchsuchen und die Bibliotheksmitarbeiter fragen. Auch Google kann manchmal hilfreich sein.

III. Techniken, die Zeit sparen

Isoliertes allgemeines Einlesen in das Thema solltest Du vermeiden. Es verschwendet zu viel Zeit. Stattdessen solltest Du Dir von Anfang an relevante Passagen zumindest kopieren und markieren, besser noch sofort als Notiz mit Quellenangabe in ein Word-Dokument schreiben. Ändern und umstellen kannst Du später immer noch.

Bei digitalen Quellen kannst Du auch gut Copy und Paste nutzen, um relevante Passagen nebst Quellenangabe in einem Word Dokument zu sammeln. Während Du sammelst und recherchierst, kannst Du zunehmend gleichzeitig strukturieren und eigene Formulierungen entwickeln, aus denen ein Vermerk entstehen kann.

Gleichzeitig solltest Du stets protokollieren, welche Quellen Du bereits recherchiert hast. Das gilt ganz besonders für Quellen, in denen Du nichts findest. Ansonsten riskierst Du, diese Quellen später aus Unsicherheit noch einmal prüfen zu müssen.

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Wichtig ist, zu jeder Aussage die Du im Vermerk triffst, die Quelle sofort dazuzuschreiben. Auf keinen Fall sollte man erst den Vermerk schreiben und die Quellen hinterher ergänzen. Zum einen erspart man sich so spätere Suche und Zuordnungsschwierigkeiten.

Noch wichtiger aber: Wenn ein (Zwischen-)ergebnis auf einmal schneller gebraucht wird als gedacht, kann man die bereits gefundenen Aussagen mit den zugehörigen Quellen schnell übermitteln. Hat man die Quellen hingegen nicht sofort dazugeschrieben, so kann man den Vermerk im aktuellen Stadium kurzfristig nur ohne Quellen übermitteln – und ein Vermerk ohne Quellen ist meist wertlos.

B. Wichtige Grundsätze zur Ergebnispräsentation

I. Objektive Darstellung der Fakten

Ziel einer Recherche ist ein möglichst guten Überblick über die Rechtslage, wie sie sich nach der Rechtsprechung (und ggf. Literatur) darstellt. Anders als in einer Klausur geht es im Schwerpunkt nicht darum, zu argumentieren oder eigene Lösungsansätze vorzustellen.

Natürlich kann man seine eigene Einschätzung, Überlegungen und Schlussfolgerungen einbringen. Allerdings gelten dafür zwei Regeln:

  • Erstens sind diese klar von der Darstellung der Rechtslage zu trennen. Häufig bleibt in Vermerken unklar, auf welche Sätze sich eine Quelle genau bezieht, so dass der Leser nicht weiß, ob einzelne Sätze eigene Überlegungen darstellen oder durch Quellen gestützt sind. Am Besten bringt man eigene Einschätzungen in ein oder zwei Sätzen gesondert am Ende des Vermerks unter.
  • Zweitens sollten die eigenen Einschätzungen eine Auswertung, Zusammenfassung oder Schlussfolgerung aus den Rechercheergebnissen darstellen. Es geht (in der Regel) nicht darum, eine eigene juristische Lösung zu entwickeln und auch nicht darum, welche rechtliche Lösung man für vorzugswürdig hält. Relevant für die praktische juristische Arbeit ist die Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein Gericht für eine Lösung entscheiden wird.

II. Die Rechtsprechung zählt.

Dieser Hinweis richtet sich vor allem an Studenten und an diejenigen Referendare, die gerade ihr Erstes Staatsexamen absolviert haben: In der praktischen Arbeit entscheidet die Rechtsprechung. Die Literatur kommt grundsätzlich erst weit dahinter. Das bedeutet:

  1. Wenn Du in einem Kommentar die Aussage findest „Entgegen der Rechtsprechung ist anzunehmen, dass…“, dann ist die entscheidende Aussage „Entgegen der Rechtsprechung“. Was dahinter kommt ist weit weniger wichtig. Du hast damit den Einstieg in die hoffentlich in den Fußnoten zitierte Rechtsprechung gefunden und kannst Dir diese genau anschauen. Was der Kommentar in Widerspruch zur Rechtsprechung annimmt, ist in der Praxis weniger relevant.
  2. Wenn Du zu einem Thema nur Literatur findest, solltest Du klarstellen, dass Du keine Rechtsprechung gefunden hast. Dazu bietet sich oft eine Formulierung wie die Folgende an:
    „Soweit ersichtlich wird die Frage in der Rechtsprechung nicht behandelt. In der Literatur…“

III. Zitiere präzise

Wenn du eine Quelle nennst, bezieht sich diese grundsätzlich auf den vorstehenden Absatz. Wenn Du im vorherstehenden Absatz mehrere Aussagen triffst, kann deshalb der Eindruck entstehen, die Quelle decke alle diese Aussagen. Oft ist das nicht der Fall.

Um Missverständnissen vorzubeugen, gestalte ich meine Absätze in der Regel so, dass alle Aussagen in einem Absatz durch die dem Absatz nachfolgenden Quellen gedeckt sind. Wenn das nicht der Fall ist, teile ich einen Absatz einfach in zwei oder mehr Absätze auf.

Manchmal besteht ein Absatz dadurch nur aus einem Satz. Das finde ich aber besser, als wenn man den Eindruck erweckt, eine Aussage sei durch eine Quelle gedeckt, obwohl sie in Wahrheit nur eine eigene Schlussfolgerung ist.

Beispiel:

Eine Bestimmung, nach welcher […] ist in AGB unwirksam, weil sie den Mieter in seiner Handlungsfreiheit übermäßig einschränkt.

[Quelle]

Wenn sich die Quelle nur auf die Unwirksamkeit bezieht, aber keinen Grund dafür nennt, solltest Du den Satz teilen:

Eine Bestimmung, nach welcher […] ist in AGB unwirksam.

[Quelle] Hintergrund dürfte sein, dass eine solche Bestimmung den Mieter in seiner Handlungsfreiheit übermäßig einschränkt.

IV. Vertraue niemandem

Gerade zu Beginn seiner Karriere neigt man dazu, Kommentaren zu vertrauen. Wenn ein renommierter Professor etwas veröffentlicht, erscheint es einem fast anmaßend, als junger Jurist daran zu zweifeln. Das ist ein Trugschluss!

In juristischen Kommentaren findet man vielfältige Arten von Fehlern. Die herrschende Rechtsprechung wird falsch dargestellt, weil das entscheidende neue Urteil fehlt, Quellen werden falsch zitiert oder eine Ansicht wird als die einzig wahre dargestellt, obwohl sie nur eine Mindermeinung in der Literatur ist. Daraus folgt eine wichtige Grundlegel: Vertraue nichts, was Du in juristischen Fachliteratur liest.

Deshalb darfst Du nie eine Quelle zitieren, ohne sie gelesen zu haben. Falls Du ein Urteil unter extremem Zeitdruck doch einmal blind aus einem Kommentar zitieren solltest, musst Du Deinen Ausbilder unbedingt darauf hinweisen.

Das gilt auch, wenn Du etwas in mehreren Quellen liest. Du kannst etwas in drei Kommentaren lesen und es ist trotzdem falsch, weil ein neues Urteil nicht berücksichtigt wurde. Alles schon gesehen.

Du kannst das Fehlerrisiko minimieren, indem Du grundsätzlich in alle verfügbaren Kommentare schaust. Wenn Du das nicht getan hat, solltest Du das offenlegen. Außerdem solltest Du, soweit nicht anders vereinbart, zusätzlich immer noch eine Stichwortsuche bei Juris und/oder Beck Online durchführen. Beck Online hat außerdem eine Funktion, mit der Du die zu einer Norm ergangene Rechtsprechung anzeigen lassen kannst.

Aber Achtung: Da Rechtsprechung das A und O ist und man sich auf Kommentare ohnehin nicht vollständig verlassen kann, könnte man ja auf die Idee kommen, einfach nur Rechtsprechung zu zitieren und die juristische Literatur im abschließenden Vermerk gar nicht erst zu nennen.

Das ist jedoch auch nicht ideal. Wenn Du nämlich mit der jeweiligen Rechtsprechung aktuelle Kommentarliteratur zitierst, welche sich auf diese Rechtsprechung bezieht, erhöhst Du das Vertrauen des Lesers in die Aktualität der Rechtsprechung.

Wenn der Leser sehen kann, dass die Kommentarliteratur ein bestimmtes BGH-Urteil als das aktuellste zitiert, dass aktuelle Aufsätze es als das aktuellste zitieren und dass Du es bei Deiner eigenen Stichwortrecherche auch noch als das aktuellste identifiziert hast, dann fühlt er sich sehr sicher, dass es auch das aktuellste ist. Umso mehr dieser Schritte fehlen, desto höher ist das Risiko eines Fehlers.

V. Finale Präsentation

Ein Tipp zur Vermeidung von Typos: Bevor ich ein wichtiges Dokument abschicke, drucke ich es mir immer noch einmal aus und lese den Ausdruck. Oft sieht man dort noch Tippfehler, die man auf dem Bildschirm übersehen hat.

Es kann auch sinnvoll sein, Quellen auszudrucken bzw. zu kopieren und die relevanten Abschnitte zu markieren. Frag am Besten Deinen Ausbilder, ob er so eine Quellensammlung gerne hätte oder für überflüssig hält. Ich persönlich finde das oft praktisch, weil man auf diese Weise ein schnelles Nachschlagewerk zur Hand hat.

In jedem Fall solltest Du im abschließenden Vermerk oder in der Begleit-Email den Umfang der durchgeführten Recherche beschreiben. Es ist für den Leser wichtig zu wissen, welche Quellen Du geprüft hast. Natürlich musst Du nicht jeden Kommentar einzeln aufführen, aber eine Anmerkung wie die Folgende ist hilfreich:

„Ich habe alle bei Beck Online und in der Kanzleibibliothek verfügbaren Kommentare zu § x BGB geprüft und bei Juris und Beck Online eine Stichwortsuche nach den Stichworten „abc“ und „xyz“ durchgeführt.“

C. Bonus: Was Du tun solltest, wenn Du nichts findest

Das Wichtigste vorweg: Nichts zu finden ist keine schlechte Leistung und nichts, wofür Du Dich schämen müsstest! Eine Liste von Quellen und Suchkriterien, in denen sich zu einer Frage keine Aussage findet, ist auch ein Ergebnis.

Wenn Du auf eine Rechtsfrage partout keine Antwort findest, solltest Du wie folgt vorgehen:

1. Schreibe gleich zu Anfang, dass Du nichts gefunden hast. Ein Beispiel:

„Die Kommentarliteratur trifft keine Aussage dazu, ob die Rechtsfolgen von Tatbestand X und Tatbestand Y identisch sind. Sie erläutert die Rechtsfolgen abstrakt, ohne zwischen den Tatbeständen zu differenzieren (vgl. etwa [Fundstellen]). Ausdrücklich bestätigt wird eine Gleichbehandlung jedoch nicht.“

2. Führe außerdem auf, wo du gesucht hast. Beispiel:

„Eine Suche in allen bei Beck Online und in der Kanzleibibliothek verfügbaren Kommentaren zu § x BGB und eine Stichwortsuche bei Beck Online nach den Stichworten X und Y haben keine Ergebnisse ergeben.“

Dann kann der Ausbilder entscheiden, ob das genügt oder ob etwa noch eine Stichwortsuche bei Juris oder eine Suche nach anderen Stichwörtern durchgeführt werden soll.

Schlusswort

Viele Referendare glauben, dass sie bei einer Rechercheaufgabe nur verlieren können. Wenn man alles richtig mache, so der Glaube, könne man damit nicht groß punkten, wenn man einen Fehler mache, falle es jedoch negativ auf. Das ist ein Irrglaube!

Eine sehr gute Recherche ist (auch unter Referendaren mit Prädikatsexamen) keine Selbstverständlichkeit. Wenn Du die oben stehenden Tipps beherzigst und eine richtig gute Recherche richtig gut präsentierst, wirst Du damit sofort positiv auffallen.

Und wenn Du dann als nächstes einen Schriftsatz zu schreiben bekommst, liest Du einfach diese Anleitung zum Verfassen besserer Schriftsätze und wirst damit genauso überzeugen.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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