Der Straftatbestand der räuberischen Erpressung ist in §§ 253 Abs. 1, 255 StGB geregelt. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus § 23 Abs. 1 StGB, da die räuberische Erpressung ein Verbrechen ist.

Nach § 255 Abs. 1 StGB wird der Täter wie ein Räuber bestraft, d.h. mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Auch die Qualifikation des § 250 StGB und die Erfolgsqualifikation des § 251 StGB sind auf die räuberische Erpressung anwendbar.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung der räuberischen Erpressung nach §§ 253 Abs. 1, 255 StGB. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zur räuberischen Erpressung mit Definitionen.

Zunächst ein Kurzschema zur räuberischen Erpressung:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Nötigungshandlung

a) Gewalt gegen eine Person

b) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

2. Nötigungserfolg: Tun, Dulden oder Unterlassen

3. Umstritten: Vermögensverfügung

4. Vermögensnachteil

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

2. Eigennützige oder fremdnützige Absicht stoffgleicher Bereicherung

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und entsprechender Vorsatz

B. Rechtswidrigkeit

C. Schuld

D. Konkurrenzen

Sodann ein ausführliches Schema zu §§ 253 Abs. 1, 255 StGB mit Definitionen und Klausurproblemen:

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Nötigungsmittel

Als Nötigungshandlung kommen Gewalt gegen eine Person oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben in Betracht.

a) Gewalt gegen eine Person

Gewalt ist die Entfaltung von – nicht notwendig erheblicher – Körperkraft durch den Täter, die einen unmittelbar oder mittelbar auf den Körper eines anderen wirkenden Zwang ausübt, der nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, einen geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder auszuschließen.1

Die Gewalt muss sich nach dem Wortlaut grundsätzlich gegen eine Person richten. Gewalt gegen Sachen erfüllt den Tatbestand nur dann, wenn sich die unmittelbare Sacheinwirkung mittelbar gegen eine Person richtet und sich als körperlich empfundener Zwang auswirkt.2

b) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, dessen Eintritt der Drohende als von seinem Willen abhängig darstellt.3

Mit einer gegenwärtigen Gefahr droht, wer eine Schädigung an Leib oder Leben in Aussicht stellt, die bei ungestörter (natürlicher) Weiterentwicklung der Dinge als sicher oder höchst wahrscheinlich zu erwarten ist, falls nicht alsbald eine Abwehrmaßnahme ergriffen wird.4

Bei der Bedrohung des Opfers mit einer durchgeladenen und entsicherten Schusswaffe ist nach der Rechtsprechung nicht die Variante der Drohung, sondern der Gewalt einschlägig. Denn der Täter wende körperliche Kraft auf und das Opfer empfinde nicht nur seelischen, sondern auch körperlichen Zwang.5

2. Nötigungserfolg: Tun, Dulden oder Unterlassen

Das Opfer muss durch die Gewalt oder Drohung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen genötigt worden sein. Erforderlich ist deshalb objektive Kausalität zwischen Nötigung und Erfolg.6    

3. Umstritten: Vermögensverfügung

Es ist umstritten, ob als Nötigungserfolg jedes beliebige Opferverhalten ausreicht7 oder ob eine Vermögensverfügung erforderlich ist.8

Wegen der hohen Bedeutung dieses Streits habe ich ihn in einem eigenen Artikel zusammengefasst.

4. Vermögensnachteil

Der Nachteil für das Vermögen bei der (räuberischen) Erpressung ist gleichbedeutend mit dem Vermögensschaden beim Betrug.9

Ein Vermögensnachteil liegt vor, wenn das abgenötigte Opferverhalten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts des Vermögens des Opfers führt (Prinzip der Gesamtsaldierung).10

Klausurproblem: Strafrechtlicher Vermögensbegriff

  • Nach dem heute nicht mehr vertretenen juristischen Vermögensbegriff11 ist das Vermögen die Summe der einzelnen Vermögensrechte i. S. d. Rechtsordnung. Dies lässt außer Acht, dass einerseits auch Rechte wertlos sein können und andererseits rein tatsächliche Positionen einen wirtschaftlichen Wert darstellen können.
  • Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff12 sind nur solche Positionen erfasst, die unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen und nicht rechtlich missbilligt werden.
  • Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff des BGH 13sind hingegen alle wirtschaftlich wertvollen Güter einer Person erfasst. Geschützt ist nach dem BGH z.B. auch das Vermögen einer Terrororganisation.14

Klausurproblem: Vermögensgefährdung

  • Nach h.M. stellt die Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil dar, wenn im Einzelfall durch die Verfügung das Vermögen konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist.15
  • Vom BGH verneint z.B. bei der erzwungenen Abgabe einer Willenserklärung, da sich das Tatopfer in einem solchen Fall der Anfechtbarkeit seiner Willenserklärung bewusst sei. Eine einen Vermögensnachteil begründende Vermögensgefährdung könnte allenfalls durch ein in die Welt gesetztes Beweismittel entstehen (z.B. wenn die Willenserklärung schriftlich abgegeben wurde), aber auch nur dann, wenn zum Tatzeitpunkt konkret mit der Inanspruchnahme durch den Beweisbegünstigten Tatbeteiligten zu rechnen war.16

Klausurproblem: Räuberische Dreieckserpressung

Bei der räuberischen Dreieckserpressung sind Genötigter und Vermögensinhaber nicht identisch. Zur Erfüllung des Tatbestandes ist dann ein besonderes Näheverhältnis zwischen Genötigtem und Vermögensinhaber erforderlich.17 

Nach h.M. besteht ein solches Näheverhältnis, wenn der Genötigte schutzbereit auf der Seite („im Lager“) des Vermögensinhabers steht und dessen Interessen wahrnehmen will.18

Beispiele:19

  • persönliche Beziehungen wie Ehe, Lebenspartnerschaft oder Eltern-Kind Beziehung20
  • Angestellter als zur Schädigung des Vermögens seines Arbeitgebers Genötigter.

Eine Parallelproblematik stellt sich beim Dreiecksbetrug. Schau Dir hierzu gerne mein Prüfungsschema zum Betrug nach § 263 StGB an.

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz

2. Eigennützige oder fremdnützige Absicht stoffgleicher Bereicherung

Absicht der Bereicherung meint das Streben nach einem Vermögensvorteil, d. h. nach einer günstigeren Gestaltung der Vermögenslage im Sinne einer Mehrung des wirtschaftlichen Wertes.21

Für die Stoffgleichheit muss die erstrebte Bereicherung unmittelbar aus dem zugefügten Schaden stammen. Der Vorteil muss die Kehrseite des Schadens, nicht das genaue Gegenstück, bilden.22

3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung und entsprechender Vorsatz

Die erstrebte Bereicherung ist rechtswidrig, wenn der Täter auf den Vermögensvorteil keinen Anspruch hat.23

B. Rechtswidrigkeit

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

Wegen der angewandten Raubmittel ist bei der räuberischen Erpressung – anders als bei § 253 StGB, siehe Schema zur Erpressung – im Rahmen der Rechtswidrigkeit keine positive Feststellung der Verwerflichkeit erforderlich.24

C. Schuld

Allgemeine Entschuldigungsgründe

D. Konkurrenzen

Bei den Konkurrenzen wird wieder der Streit um das Verhältnis zwischen Raub und räuberischer Erpressung relevant:

Nach der Rechtsprechung tritt die räuberische Erpressung grundsätzlich hinter dem spezielleren Raub zurück. Ausnahmsweise nimmt die Rechtsprechung Tateinheit an, wenn die Nötigung sowohl zur Wegnahme von Sachen durch den Täter als auch zur Übergabe anderer Sachen durch das Opfer führt. 25

Klausurhinweis:

Denke ggf. auch an die Qualifikation der schweren räuberischen Erpressung nach § 250 StGB und die Erfolgsqualifikation der räuberischen Erpressung mit Todesfolge nach § 251 StGB, die wegen der Formulierung „gleich einem Räuber zu bestrafen“ in § 255 StGB Anwendung finden.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zur räuberischen Erpressung nach §§ 253 Abs. 1, 255 StGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 9.
  2. BGH, Urt. v. 27.08.1969, Az.: 4 StR 268/69.
  3. BGH, Urteil vom 19. 12. 1961, Az.: 1 StR 288/61; MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 10.
  4. vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2014, Az.: 4 StR 208/14.
  5. BGH, Urt. v. 27.08.1969, Az.: 4 StR 268/69.
  6. BGH, Urt. v. 22.09.1983, Az.: 4 StR 376/83.
  7. so die Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 05.07.1960, Az.: 5 StR 80/60.
  8. so Teile der Literatur, vgl. u.a. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 253 Rn. 8.
  9. vgl. BGH, Beschl. v. 05.02.1998, Az.: 4 StR 622/97.
  10. BGH, Urt. v. 02.02.2016, Az.: 1 StR 435/15.
  11. RG, Urt. v. 07.07.1884, Az.: 1568/84.
  12. Tiedemann/Leipziger Kommentar StGB, 12. Aufl. 2012, § 263 Rn. 127.
  13. BGH, Urt. v. 08.01.1992, Az.: 2 StR 102/91.
  14. BGH, Urt. v. 11.4.2018, Az.: 5 StR 595/17.
  15. Beschl. v. 05.02.1998, Az.: 4 StR 622/97.
  16. Beschl. v. 05.02.1998, Az.: 4 StR 622/97.
  17. BGH, Urt. v. 20.04.1995, Az.: 4 StR 27/95.
  18. BGH, Urteil vom 20.04.1995, Az.: 4 StR 27/95; MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 23.
  19. nach MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 23.
  20. allgemein MüKo StGB, 3. Auflage 2017, § 253 Rn. 23; für einen Fall der Nötigung eines Sohnes zu Lasten des Vermögens des Vaters: BGH, Beschluss vom 13.05.1997, Az.: 4 StR 200/97.
  21. BGH, Urt. v. 17.10.1996, Az.: 4 StR 389/96.
  22. BGH, Urt. v. 16.06.2016, Az.: 1 StR 20/16.
  23. vgl. BGH, Beschl. v. 02.03.1984, Az.: 3 StR 37/84.
  24. Schönke/Schröder StGB, 30. Auflage 2019, § 255 Rn. 1.
  25. vgl. BGH, Beschl. v. 19.03.1999, Az.: 2 StR 66/99.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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