Der Straftatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge ist in § 227 StGB geregelt. § 227 Abs. 2 StGB beschreibt einen unbenannten minder schweren Fall. § 227 StGB ist eine Erfolgsqualifikation zu § 223 StGB.

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Prüfungsschema zur Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB. Darunter findest Du dann eine Zusammenfassung der wichtigsten Klausurprobleme zu § 227 StGB.

Prüfungsschema zur Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 223 StGB

2. Eintritt des Todes als schwerer Folge, § 227 StGB

3. Kausalität zwischen Grunddelikt und Todesfolge

4. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bzgl. der einfachen Körperverletzung als Grunddelikt

2. Mindestens Fahrlässigkeit bzgl. der schweren Folge

B. Rechtswidrigkeit

C. Schuld

D. Konkurrenzen

Zusammenfassung zu § 227 StGB

A. Tatbestand

I. Objektiver Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand des Grunddelikts, § 223 StGB

Siehe dazu Prüfungsschema und Zusammenfassung zur einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB.

2. Eintritt des Todes als schwerer Folge, § 227 StGB

3. Kausalität zwischen Grunddelikt und Todesfolge

4. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

Da § 227 StGB eine Erfolgsqualifikation ist, muss zusätzlich zur bloßen Kausalität ein tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen der Körperverletzung als Grunddelikt und Eintritt des Todes als schwerer Folge bestehen.1

Das heißt, durch den Tod des Opfers muss sich gerade die in der Körperverletzung liegende „eigentümliche tatbestandsspezifische Gefahr“ verwirklichen.2

Klausurproblem: Anknüpfungspunkt für den tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang

Umstritten ist, ob sich mit in dem Todeseintritt die tatbestandsspezifische Gefahr gerade des Körperverletzungserfolgs realisiert haben muss, oder ob es ausreicht, dass sich mit dem Tod die tatbestandsspezifische Gefahr der Körperverletzungshandlung realisiert hat.

Beispiel: Der Täter stößt das Opfer mit einer ungesicherten Pistole gegen den Kopf, dabei löst sich ein Schuss und tötet das Opfer. Hier hat sich die tatbestandsspezifische Gefahr der Handlung des Stoßens mit einer ungesicherten Pistole realisiert, nicht aber die Gefahr einer durch den Stoß verursachten Verletzung.3

Rechtsprechung: Es genügt, wenn sich mit dem Todeseintritt die tatbestandsspezifische Gefahr der Körperverletzungshandlung realisiert hat.4

  • Argument 1: § 227 StGB verweist im Klammerzusatz auf §§ 223 – 226a StGB, also auch auf den Versuch der Körperverletzung. Der Gesetzgeber sieht also auch den bloßen Versuch einer Körperverletzung, ohne Körperverletzungserfolg, ausreichend als Anknüpfungspunkt für die schwere Folge des § 227 StGB.
  • Argument 2: Grund für die Strafschärfung ist die Gefährlichkeit der Tathandlung.5
  • Argument 3: Verlangt man, dass sich die tatbestandsspezifische Gefahr eines Körperverletzungserfolgs realisiert haben muss, ist ein erfolgsqualifizierter Versuch (dazu noch unten) nicht möglich. Denn beim erfolgsqualifizierten Versuch gibt es ja keinen Körperverletzungserfolg, an den man anknüpfen könnte. Es entstünden Strafbarkeitslücken.

Gegenansicht: Mit dem Tod muss sich die tatbestandsspezifische Gefahr gerade des Körperverletzungserfolgs realisiert haben, eine Realisierung der tatbestandsspezifischen Gefahr nur der Körperverletzungshandlung genügt nicht (sog. Letalitätstheorie).6

  • Argument 1: § 227 StGB spricht von einer „verletzten Person“, was dem Wortlaut nach einen Verletzungserfolg voraussetzt.
  • Argument 2: Wegen der hohen Strafandrohung des § 227 StGB ist eine restriktive Auslegung geboten.

Klausurproblem: Selbstgefährdendes Opferverhalten

Ebenfalls umstritten ist, inwiefern der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang durch selbstgefährdendes Verhalten des Opfers unterbrochen werden kann.7

Beispiel: Das Opfer meint, noch von seinen Angreifern verfolgt zu werden, flüchtet in Panik durch eine Glastür, schneidet sich dabei die Schlagader auf und verblutet (Gubener Hetzjagd-Fall).8

  • Frühere Rechtsprechung: Wird der Tod durch eigenes Verhalten des Opfers verursacht, ist § 227 StGB mangels eines sogenannten Umittelbarkeitszusammenhangs nicht einschlägig.
  • Aktuelle Rechtsprechung und Literatur: Vorhersehbare und tatnahe Opferreaktionen, wie Fluchtreaktionen in Folge von Panik nach starken Misshandlungen oder Handlungen in verletzungsbedingter Benommenheit, schließen den Unmittelbarkeitszusammenhang nicht aus. Denn derartige Reaktionen sind gerade deliktstypisch, die aus ihnen erwachsenen Unglücke also das Ergebnis deliktstypischer Gefahren.

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bzgl. der einfachen Körperverletzung als Grunddelikt

2. Mindestens Fahrlässigkeit bzgl. der schweren Folge, § 18 StGB

B. Rechtswidrigkeit

Allgemeine Rechtfertigungsgründe

C. Schuld

Allgemeine Entschuldigungsgründe

D. Konkurrenzen

Fahrlässige Tötung nach § 222 StGB tritt hinter § 227 StGB zurück.9

§§ 211 (zum Schema), 212 (zum Schema) StGB verdrängen nach h.M. grundsätzlich § 227 StGB im Wege der Spezialität.10 Tateinheit kann mit § 227 StGB kann jedoch bei einer Tötung durch Unterlassen11 oder einem Totschlagsversuch12 angenommen werden.

Das Konkurrenzverhältnis von § 227 StGB zu § 224 StGB (zum Schema) ist umstritten.13 Nach einer Ansicht verdrängt § 227 StGB den § 224 StGB, nach der Gegenansicht stehen §§ 224 und 227 StGB grundsätzlich in Tateinheit.

Die Rechtsprechung nimmt jedenfalls mit Bezug auf § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (gemeinschaftliche Begehung) eine Konsumtion durch § 227 StGB an, wenn die Gefahr für das Leben des Opfers gerade durch das gemeinschaftliche Zusammenwirken verursacht wurde14. Erst Recht ist eine Konsumtion des § 224 Abs. 1 Nr. 5 (das Leben gefährdende Behandlung) durch § 227 StGB anzunehmen.15

Versuch der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB

Ist eine Körperverletzung erfolgt und war der Tod des Opfers zwar vom Täter gewollt, ist aber nicht eingetreten, wäre denkbar, entweder (i) „nur“ wegen versuchtem Totschlag oder Mord in Tateinheit mit vollendeter Körperverletzung oder aber (ii) auch noch wegen versuchter Körperverletzung mit Todesfolge zu bestrafen. Hierzu werden zwei Ansichten vertreten:

  • Nach einer Ansicht ist § 227 StGB ein sogenanntes „echtes erfolgsqualifiziertes Delikt“, was bedeutet, dass die schwere Folge nur fahrlässig, nicht aber vorsätzlich „begangen“ werden kann. Deshalb sei ein Versuch des § 227 StGB schon tatbestandlich nicht möglich.16.
  • Nach anderer Ansicht kann ein Versuch des § 227 StGB tatbestandsmäßig sein, tritt aber hinter dem versuchten Totschlag bzw. Mord auf Konkurrenzebene zurück.17

Nach beiden Ansichten scheidet eine Strafe aus, so dass eine Stellungnahme in der Klausur regelmäßig entbehrlich ist.

Erfolgsqualifizierter Versuch bei § 227 StGB

Beim erfolgsqualifizierten Versuch des § 227 StGB ist eine Körperverletzung nur versucht worden, der Todeserfolg jedoch auf Grund von Fahrlässigkeit des Täters eingetreten.

Beispiel ist wieder der oben schon genannte Pistolenstoß, nur dass der Schuss diesmal schon losgeht, als der Täter zum Schlag ausholt.

Hier ist wieder der oben schon ausgeführte Meinungsstreit relevant, ob der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang an die Körperverletzungshandlung oder den Körperverletzungserfolg anknüpft.18

Hält man einen tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang zwischen Todesfolge und Körperverletzungshandlung für ausreichend, so ist ein erfolgsqualifizierter Versuch bei § 227 StGB möglich.

Fordert man hingegen einen tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang zwischen Todesfolge und Körperverletzungserfolg, kann man diesen beim erfolgsqualifizierten Versuch mangels Körperverletzungserfolgs nie bejahen. Ein erfolgsqualifizierter Versuch ist nach dieser Ansicht daher bei § 227 StGB nicht möglich.

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest diesen Überblick zur Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. siehe etwa BeckOK StGB, 49. Edition Stand 01.02.2021, § 227 Rn. 7.
  2. BGH, Beschluss vom 20.10.1992, Az.: GSSt 1/92.
  3. Beispiel nach BGH, Urteil vom 02.02.1960, Az.: 1 StR 14/60.
  4. „Hochsitz-Fall“, BGH, Urt. v. 30.06.1982, Az.: 2 StR 226/82.
  5. Lackner/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, § 227 Rn. 2.
  6. mit weiteren Nachweisen Lackner/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, § 227 Rn. 2.
  7. zum Streit mit weiteren Nachweisen BeckOK StGB, 49. Edition Stand 01.02.2021, § 227 Rn. 10.
  8. BGH, Urt. v. 9.10.2002, Az.: 5 StR 42/02.
  9. BGH, Urteil vom 08.07.1955, Az.: 2 StR 146/55; Schönke/Schröder StGB, 03. Auflage 2019, § 227 Rn. 12.
  10. mit weiteren Nachweisen Kindhäuser/Neumann/Paeffgen StGB, 5. Auflage 2017, § 227 Rn. 35; BGH, Urteil vom 30.06.1967, Az.: 4 StR 194/67 .
  11. BGH, Urteil vom 01.09.1999, Az.: 2 StR 94/99.
  12. BGH, Beschluss vom 19.11.1976, Az.: 3 StR 444/76; Hardtung, MüKo StGB, 4. Auflage 2021, § 227 Rn. 28.
  13. zum Streitstand im Detail mit weiteren Nachweisen Hardtung, MüKo StGB, 4. Auflage 2021, § 224 Rn. 59; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen StGB, 5. Auflage 2017, § 227 Rn. 35.
  14. BGH, Beschluss vom 30.08.2006, Az.: 2 StR 198/06.
  15. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen StGB, 5. Auflage 2017, § 227 Rn. 35.
  16. etwa BeckOK StGB, 49. Edition Stand 01.02.2021, § 227 Rn. 7.
  17. etwa Lackner/Kühl StGB, 29. Auflage 2018, § 227 Rn. 3.
  18. BeckOK StGB, 49. Edition Stand 01.02.2021, § 227 Rn. 17.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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