§ 822 BGB ermöglicht einem Bereicherungsgläubiger den Durchgriff auf einen Dritten, wenn dieser den Bereicherungsgegenstand unentgeltlich vom eigentlichen rechtsgrundlosen Empfänger erhalten hat und Letzterer deshalb entreichert ist.

Da zwischen Bereicherungsgläubiger und -schuldner keine Leistungsbeziehung besteht, ist der Anspruch eine besondere Form der Nichtleistungskondiktion und wird häufig als Durchgriffskondiktion bezeichnet.

Der Durchgriff auf den Dritten wird ausnahmsweise gestattet, weil der Dritte aufgrund der Unentgeltlichkeit seines Erwerbs weniger schutzwürdig ist und der Gläubiger ansonsten keine Möglichkeit hätte, den Bereicherungsgegenstand zurückzuerhalten.1

Im Folgenden zeige ich Dir zuerst ein Kurzschema für den ersten Überblick über die Prüfung des § 822 BGB. Darunter findest Du dann ein ausführliches Prüfungsschema zu § 822 BGB mit Definitionen und Klausurproblemen.

Zunächst ein Kurzschema zu den Fällen des § 822 BGB ohne Definitionen und Probleme:

I. Bereicherungsanspruch gegen den Erstempfänger

II. Zuwendung an den Dritten

III. Ausschluss der Bereicherungshaftung des Erstempfängers

IV. Rechtsfolgen

Sodann ein ausführliches Schema zu den Fällen des § 816 Abs. 2 BGB mit Definitionen und Klausurproblemen:

Für das systematische Verständnis kann man sich zunächst vor Augen halten, dass § 822 BGB die Regelungslücke schließt, die trotz der §§ 812 und 816 BGB noch übrig bleibt, wenn der Erstempfänger eines Bereicherungsgegenstandes diesen an einen Dritten überträgt:

  • Veräußert der Erstempfänger den Bereicherungsgegenstand entgeltlich als Nichtberechtigter, greift § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (zum Schema).
  • Veräußert er den Bereicherungsgegenstand unentgeltlich als Nichtberechtigter, gilt § 816 Abs. 1 S. 2 BGB (zum Schema).
  • Die entgeltliche Veräußerung als Berechtigter führt dazu, dass der Erstempfänger auf Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB haftet.
  • Somit fehlt nur noch der Fall, dass der Erstempfänger den Gegenstand unentgeltlich als Berechtigter veräußert. Das ist genau der Fall, den § 822 BGB regelt.

Nun aber zu den Voraussetzungen:

I. Bereicherungsanspruch gegen den Erstempfänger

Zunächst ist erforderlich, dass dem Gläubiger ein Bereicherungsanspruch – gleich welcher Art – dem Grunde nach gegen den Erstempfänger zusteht.2

Fun Fact: Da es auf die Art des Bereicherungsanspruchs nicht ankommt, kann dieser Anspruch auch selbst aus § 822 BGB folgen, wenn der Bereicherungsgegenstand erst unentgeltlich an einen Dritten und sodann an einen Vierten weitergegeben wurde.3

II. Zuwendung an den Dritten

Sodann muss der Erstempfänger den Bereicherungsgegenstand unentgeltlich und rechtsgeschäftlich einem Dritten zugewendet haben.4 Schwierigkeiten treten auf, wenn der Erstempfänger dem Dritten etwas anderes als den ursprünglichen Bereicherungsgegenstand zuwendet:

  • Werden dem Dritten vom Erstempfänger Surrogate und/oder Nutzungen zugewendet, sind diese nach ganz h.M. gleichermaßen vom Anspruch erfasst.5
  • Da das rechtsgeschäftliche Surrogat nach h.M. nicht in natura herauszugeben ist , (vgl. dazu das Schema zum Inhalt und Umfang des Bereicherungsanspruchs), greift § 822 BGB hier dem Wortlaut nach nicht ein. Diese planwidrige Regelungslücke kann aber durch analoge Anwendung des § 822 BGB geschlossen werden.6 Zu beachten ist, dass der Dritte dann nicht das Surrogat herausgeben muss (denn der Erstempfänger müsste dies auch nicht!), sondern Wertersatz schuldet.7 Allerdings kann er auch mit befreiender Wirkung das Surrogat herausgeben.8

III. Ausschluss der Bereicherungshaftung des Erstempfängers

Der Erstempfänger muss gerade aufgrund der Zuwendung an den Dritten von seiner Bereicherungshaftung befreit, also gem. § 818 Abs. 3 BGB entreichert sein.9 Deshalb ist der Anspruch ausgeschlossen, soweit der Erstempfänger bereits vor der Zuwendung aus anderen Gründen entreichert oder sonst von seiner Herausgabepflicht befreit war.

IV. Rechtsfolgen

Gegenstand der Herausgabepflicht ist stets, was der Zuwendende geschuldet hätte, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre.10

Darüber hinaus kann sich der Dritte natürlich auch seinerseits auf Entreicherung oder Kondiktionsausschlüsse (dazu das Schema zum Inhalt und Umfang des Bereicherungsanspruchs) berufen.

Umstritten ist, ob der Dritte gem. § 417 Abs. 1 BGB die Einwendungen des Erstempfängers – abgesehen natürlich vom Einwand der Entreicherung – geltend machen kann. Das hängt davon ab, ob man in § 822 BGB einen eigenständigen Kondiktionsanspruch (wohl h.M.) sieht oder lediglich eine Umleitung des Anspruch gegen den Erstempfänger auf den Dritten, so dass die Norm eine gesetzliche Schuldübernahme anordnen und somit die Anwendung es § 417 BGB eröffnen würde. 11

Schlusswort

Ich hoffe, Du fandest dieses Prüfungsschema zu § 822 BGB hilfreich. Wenn Du Verbesserungsvorschläge hast, lass es mich gerne wissen! Ich bin immer bemüht, die Inhalte auf Juratopia weiter zu verbessern.

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Quellennachweise:

  1. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 822 Rn. 1.
  2. BeckOK BGB, 55. Edition 2020, § 822 Rn. 4 f.
  3. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 822 Rn. 10.
  4. BeckOK BGB, 55. Auflage 2020, § 822 Rn. 7.
  5. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 822 Rn. 12.
  6. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 822 Rn. 13.
  7. BGH Az.: X ZR 117/02.
  8. MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 822 Rn. 13.
  9. BeckOK BGB, 55. Edition 2020, § 822 Rn. 9.
  10. BeckOK BGB, 55. Edition 2020, § 822 Rn. 11.
  11. Ausführlich MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 822 Rn. 2 ff.

Artikel verfasst von: 

Lucas Kleinschmitt

Lucas ist Volljurist und Gründer von Juratopia. Nach Studium an der Bucerius Law School und Referendariat in Hamburg hat er einige Jahre als Anwalt in der Großkanzlei und als Syndikus in einem DAX-Konzern gearbeitet. Heute ist er General Counsel in einem IoT Startup.

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